Sonntag Exaudi: Predigt zu Joh 7,37-39

Predigttext: Joh 7,37-39
Gottesdienst: Sonntag Exaudi
PredigerIn: Dirk Dempewolf, Pfarrer

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

ich erlebe sehr viel Erschöpfung um mich herum. Erschöpfung scheint ein Trend geworden zu sein und damit viel Klage über Überforderung, Stress und Müdigkeit. Es klagen dabei nicht nur objektiv vielbeschäftigte Menschen, sondern auch viele andere.

Dann frage ich mich und beobachte, woher kommt die Erschöpfung bei so vielen Menschen.
Da sind zwei Krankenschwestern allein mit 25 Patienten in der Tagschicht, nachts ist es nur eine. Zu der Personalknappheit kommt noch die Gefährdung durch Covid 19 und die Bevölkerung, die das alles für selbstverständlich nimmt und sich und andere sogar noch durch unangemessenes Verhalten in Gefahr bringt und damit das Gesundheitswesen überfordert.

Da sind viele Menschen auf schlecht bezahlten Stellen im Verkauf, die sich von Kunden unfreundliches anhören müssen, deren Chefs sie einsparen wollen und deren einzige Freude der Schwatz mit den Kolleginnen ist oder die Raucherpause, um sich über das Smartphone informieren zu lassen, was sie gerade verpasst haben.

Da erlebe ich Schüler, denen ihre Konzentration und Kraft von ihrem extremen Mediengebrauch so in Anspruch genommen werden, dass es für die Schule nicht mehr reicht. Gleichzeitig können sie sich nur noch im digitalen Raum und nicht mehr live begegnen.

Massive Ablenkung, Überfütterung mit Informationen, Angst um die eigene Existenz oder vor echten oder erfundenen Gefahren, Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeits- oder Lebenssituation sind also einige Gründe für Erschöpfung.

Dass die Klage über Erschöpfung nun zum Trend geworden ist, kann man ganz wunderbar an der Werbung ablesen. Es wird für Entspannungsorte, Entspannungsgetränke, Entspannungsfilme, Entspannungscomputerspiele und Entspannungsmusik geworben. Wenigstens in der Freizeit will man sich nicht anstrengen, will sich etwas gönnen als Ausgleich für die Überforderung und den Stress.

Viele Wünschen sich Entspannung, einen beruhigenden Wohlstand, Sicherheit und Verlässlichkeit in ihrem Land und Leben. Wie gerne hätte man eine Quelle, die belebt und zuversichtlich macht und der Erschöpfung Lebendigkeit entgegensetzt.
Am Laubhüttenfest, einem Fest der Erinnerung an die Befreiung aus der erschöpfenden, unmenschlichen Sklavenarbeit in Ägypten, kommen Jesus und seine Jünger nach Jerusalem. Er predigt dort zu Menschen, die unter der neuen Fremdherrschaft durch die Römer leiden. Jesus diskutiert mit den religiösen Autoritäten über Gott und die Welt und die versuchen ihn irgendwie in ihre Schemata einzuordnen. Doch er verweigert ihnen einen Zugang zu sich in seinen Reden, die sich nicht einmal seinen Jüngerinnen und Jüngern immer erschließen. Jesus hat scheinbar Freude daran, dass man ihn nicht versteht.
Im Evangelium nach Johannes Kapitel 7 Verse 37 bis 39 provoziert er seine Gesprächspartner mit einem weiteren unverständlichen Satz:
Aber am letzten, dem höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht. Amen

Lebendiges Wasser, nicht abgestandenes Regenwasser bietet Jesus den Menschen aus sich selbst heraus.
Lebendiges Wasser schlägt Moses aus den Felsen bei Massa und Meriba, als das Volk auf der Flucht vor den Ägyptern in der Wüste vor Durst gegen ihn und Gott meutert.
Lebendiges Wasser im Überfluss erwartet der Prophet Sacharja für die zukünftige Stadt Jerusalem. Bis heute gibt es kaum Quellen in der Stadt, sondern man lebt von Regenwasser, dass sich in Zisternen sammelt.
Wo schon kein lebendiges Wasser fließt, verstehen die Menschen gar nicht, wie im Glauben an Jesus von ihnen selbst Ströme lebendigen Waser fließen können. Jesus verspricht hier nicht, dass Gott den Menschen, wie in der Vergangenheit lebendiges Wasser gibt, sondern dass sie selbst Quellen dieses Wassers werden.

Mit seinen Worten gibt Jesus einen Gedankenimpuls, möchte seine Zuhörer zum Nachdenken anregen. Doch die bleiben oft am konkreten Bild hängen, tauchen nicht ein in seine Worte und so wird Jesus nicht verstanden. Johannes sagt: um Jesus zu verstehen braucht man den Geist Gottes und den haben selbst die Jünger noch nicht. Der ist nur in Jesus selbst.

Bis heute geht es den Kirchen so, dass ihre Sprachen und Bilder von vielen nicht verstanden werden. „Am Kreuz für uns gestorben.“, „Sohn Gottes“, „Trinität“, „Sünde“ sind selbstverständliche Worte für uns, für immer mehr Menschen aber unverständliche Phrasen. Manchmal erlebe ich in der Kirche eine Flucht in eine Sprache für Eingeweihte, vielleicht um sich exklusiv fühlen zu können. Dabei bin ich mir gar nicht einmal sicher, dass die Eingeweihten alles verstehen, was sie an Phrasen für ihren Glauben für wichtig halten. Deswegen predige ich übrigens gern, weil ich dabei etwas lerne und manchmal Menschen etwas von unserem Glauben verständlich machen kann.

Lebendiges Wasser fließt von den Gläubigen, verspricht Jesus ihnen und ich wünsche, dass dieses Wasser die Erschöpften lebendig macht, bis es auch von ihnen fließt. Was bringt die Quellen in uns zum Übersprudeln?

Lebendig macht mich, wenn ich auch bei einer langweiligen Arbeit positive Rückmeldung bekomme, wenn ich offen bin für gute Begegnungen in meinem Alltag und mich davon motivieren lasse.

Lebendig macht mich, wenn ich zuversichtlich bin, dass alles gut wird, und weiß, dass mir andere Menschen nicht das Leben versauern können, wenn Gott es doch gut für mich macht.

Lebendig macht mich, wenn ich Vertrauen in andere Menschen habe, dass sie mir nichts Böses wollen, Vertrauen darin habe, dass Gott mit mir auf dem Weg ist. Ein Vertrauen, dass auch der Taufspruch von Ilarya ausdrückt: Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.

Wer auf Gottes Schutz und Geleit vertraut, muss vor nichts und niemandem Angst haben. Wer mit Vertrauen in Menschen und Gott, wer mit Zuversicht durch sein Leben geht, steckt andere an, von dem fließen Ströme lebendigen Wassers. Ein einzelner solcher Mensch gibt vielen Erschöpften zu trinken.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen